Was ist Mediation?

Immer wieder wird in den letzten Jahrzehnten - Tendenz steigend - von Win-Win-Situationen gesprochen. Dabei sind Konfliktlösungen gemeint, bei denen sich beide Seiten als Gewinner fühlen. Etwas weniger euphemistisch ausgedrückt geht es darum, dass die Streitparteien das Gefühl haben, etwas gewonnen zu haben. Was sind das für Ausgänge von Konflikten, bei denen die Parteien meinen, nicht verloren zu haben? Zunächst einmal sei definiert, welches Konfliktverständnis dem zugrund liegt.

Inkohärenzerfahrung

Ein Konflikt beruht auf einer Inkohärenzerfahrung. Es gibt unterschiedliche Wahrnehmungen desselben Sachverhaltes und diese lassen sich nicht in ein gemeinsames Wirklichkeitsbild integrieren. Ansprüche und Forderungen im Handeln, Denken, Wollen oder Fühlen werden durch eine andere Person zurückgewiesen. So fühlt sich zumindest ein Interaktionspartner im Denken, Fühlen, Wollen oder Handeln durch die jeweils andere Seite beeinträchtigt. Eine Konfliktlösung hat dann zum Ziel, dieses „Beeinträchtigt-fühlen“ aufzuheben. In den vergangenen 30 Jahren hat sich dazu in Deutschland und international das Verfahren der Mediation neben den bestehenden wie Gerichts-, Schieds- oder Schlichtungsverfahren etabliert. Wir können von einer Etablierung sprechen, wenn es auch noch nicht jedem potentiellen Wirtschaftskonfliktpartner bekannt ist. Denn es hat sich einiges in der Streitlandschaft verändert.

Seit einigen Monaten existiert ein Gesetz zur Förderung der Mediation, welches der mediativen Konfliktlösung einen gesetzlichen Rahmen bietet. Man findet in diesen Tagen auch des öfteren die Formulierung vom „neuen Mediationsgesetz“ – obwohl es in Deutschland bisher keines gab. Es gibt schon tausende praktizierende Mediatoren, Richtermediatoren an Gerichten, eine Mediationsrichtlinie der Europäischen Union (zur grenzüberschreitenden Mediation in Handelssachen) und viele – insbesondere von der Europäischen Union – geförderte Projekte zur Etablierung außergerichtlicher Streitbeilegungen. Wir haben es hier meines Erachtens mit der Etablierung einer Konfliktlösungskultur zu tun, die der Tatsache Rechnung trägt, dass wir es in der modernen Gesellschaft zunehmend mit quasiautonomen Subjekten / Systemen zu tun haben, wie z. B. Personen, Gruppen, Unternehmen und Organisationen, die ihren Umgang miteinander fortwährend neu aushandeln müssen. Aufgrund dieser wachsenden Vielzahl von Aushandlungsprozessen kommt es tendenziell zu einer wachsenden Anzahl von Konflikten. Man kann diese – sollten sie eskalieren – durch die Entscheidung Anderer lösen lassen, man kann sie aber auch in ein Verfahren einbringen, in dem die konfligierenden Parteien selbst aktiv und verantwortlich an der Lösungsfindung arbeiten: die Mediation als Vermittlungsverfahren.

Die Mediation, wie wir sie heute kennen, basiert zum einen auf Resultaten der Konfliktforschung in der Moderne und zum anderen auf dem Verhandlungskonzept, wie es an der Harvard- Universität in der Folge der Begleitung der Verhandlungen zwischen Israel und ägypten im Sinai-Konflikt entwickelt wurde. Das Harvard-Konzept fokussiert die Konfliktparteien auf deren Bedürfnisse und Interessen, auf deren Anliegen im Konfliktlösungsprozess. Dafür stehen vier Grundprinzipien, die ich hier gleichzeitig auf die Mediation auslege:

  1. Trennung von Person und Sache: Die Kunst der Verfahrensführung besteht darin, eine Beziehungsstörung zwischen den strittigen Parteien nicht über die inhaltliche Auseinandersetzung dominieren zu lassen. Optional ist diese in schwierigen Fällen separat zu bearbeiten.
  2. Im Fokus stehen nicht die Forderungen an die andere Seite, sondern die Herausarbeitung der eigenen Interessen in der Auseinandersetzung.
  3. Es wird angestrebt, Lösungsoptionen zu entwickeln, die dem eigenen Anliegen gerecht werden und beiderseitigen Gewinn versprechen bzw. den Verlust minimieren.
  4. Es werden Kriterien entwickelt, die eine Bewertung des Verhandlungsergebnisses ermöglichen – inwieweit es den jeweils eigenen Ansprüchen gerecht wird.

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