Konfliktkosten – Identifizieren, verifizieren, reduzieren (Dr. Alexander Insam)

Konfliktkosten berechnen

Was hat Schlaf nun mit Konfliktkosten zu tun? Schlaf ist quasi die mildeste Form eines Konflikts am Arbeitsplatz. Denn der Arbeitnehmer arbeitet in dieser Zeit nicht so, wie es der Arbeitgeber geplant hat. Andererseits schadet er auch dem Unternehmen nicht, weil die einzigen Konfliktkosten, die er produziert, die seiner entgangenen Arbeitszeit sind. Aus Konfliktkosten-Controllingperspektive zeigt der schlafende Arbeitnehmer damit zugleich die Messeinheit von Konfliktkosten an, auf die es ankommt: Entgangene Arbeitszeit, für die der Arbeitgeber bezahlt, d.h. vergeblich aufgewendete Personalkosten. Die Konfliktkostenhöhe hängt dann einerseits von der Höhe des Gehalts des Mitarbeiters und andererseits von der Dauer der Konfliktbeschäftigung (anstelle der produktiven Arbeitszeit) ab.

Außerdem wird an diesem Beispiel deutlich, dass die Höhe der Konfliktkosten steigt, wenn mehr als ein Mitarbeiter beteiligt ist. Bereits jede andere Art der Konfliktbewältigung, wie z.B. das noch sachliche Dissens-Gespräch mit Kollegen, das nicht mehr so sachliche Streitgespräch mit Kollegen bis zum eskalierenden „Sich-Anschreien“ oder auch „Nicht-Mehr-Miteinander-Reden“, das Senden oder Ignorieren von E-Mails, das Entwenden von Büromaterial zu privaten Zwecken etc., wird den Arbeitgeber stets mehr Geld kosten als der Schlaf des einzelnen Mitarbeiters.

Aber wie lassen sich diese Fälle entgangener Arbeitszeit messen und wie können die in Konflikten liegenden großen Rationalisierungspotenziale genutzt und Konfliktkosten reduziert werden?

Nach dem von KPMG im Rahmen der Konfliktkostenstudie entwickelten „Circle of Conflict Modell“ lassen sich alle Konfliktkosten, abhängig davon, in welchem Personenkreis sie im Unternehmen entstehen, drei Dimensionen (Personen, Team und Organisation) und neun Kategorien (drei Kategorien pro Dimension) zuordnen:

Konfliktkostenkategorien/KPMG 'Circle of Conflict'
Abb. 1: Konfliktkostenkategorien/KPMG „Circle of Conflict”

In einem ersten Schritt wird dabei nicht die Konfliktursache untersucht, sondern zunächst nur die Auswirkung des Konflikts für das Unternehmen. Erst in einem zweiten Schritt wird dann zwischen den verschiedenen Arten von Konflikten bzw. Konfliktkosten unterschieden. Neben dysfunktionalen, d.h. schädlichen und zu vermeidenden Konfliktkosten gibt esauch funktionale, d.h. für das Unternehmen letztlich positive, weil langfristig nützliche, Konflikte. Die Festlegung, wann Konfliktkosten dysfunktional oder funktional sind, ist an die Unternehmens- und Personalstrategie geknüpft und muss unternehmensspezifisch erfolgen.

Die tatsächlichen Konfliktkosten werden durch die Dauer des Konflikts, die Zeit der Beschäftigung mit dem Konflikt und die Anzahl der beteiligten Personen beeinflusst.

Wesentliche Faktoren für das Entstehen und die Höhe von Konfliktkosten sind, wie oben gezeigt, einerseits die Dauer des Konflikts bzw. die Zeit der Beschäftigung der Mitarbeiter mit dem Konflikt und anderseits die Anzahl der beteiligten Personen. So ist es ausgehend vom Bild des schlafenden Arbeitnehmers im Rahmen des Konfliktkosten-Controllings entscheidend, wie viel Arbeitszeit in der konkreten Konfliktsituation, d.h. in einer maßgeblichen Messperiode, durch wie viele Personen aufgewendet wird und wie diese Personen typischer Weise ihre Arbeitszeit vom Arbeitgeber vergütet bekommen. Zur Veranschaulichung dient folgendes Beispiel:

  1. Streitet sich ein Mitarbeiter eine Stunde lang mit seinem Vorgesetzen und verlässt im Anschluss pünktlich zu seinem Feierabend wutentbrannt das Unternehmen, hat er bis dahin gemeinsam mit seinem Vorgesetzten 2 Stunden Arbeitszeit für den Konflikt aufgewendet. Nehmen wir nun an, die Stunde des Vorgesetzten kostet das Unternehmen intern 100 Euro und die Stunde des Arbeitnehmers kostet das Unternehmen 50 Euro, so entstehen hier zunächst Konfliktkosten von 150 Euro.
  2. Regt sich derselbe Vorgesetze über das Gespräch eine halbe Stunde lang so auf, dass er den nachfolgenden Termin mit seinen zehn Führungskräften um eine Viertelstunde später betritt und diese untätig auf ihn warten müssen, so entstehen im Vergleich zum ersten Beispiel noch höhere Kosten. So verursacht die halbe Stunde des Vorgesetzten 50 Euro; 15 Minuten Wartezeit pro anwesendem Terminteilnehmer, in diesem Fall zehn Führungskräfte, einfachheitshalber mit einem Stundensatz von 80 Euro, d.h. 200 Euro Konfliktkosten. Dieses Beispiel zeigt, dass die Viertelstunde Warten der Führungskräfte teurer für das Unternehmen ist als die einstündige Diskussion zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter.

Im Gegensatz zu diesen Beispielen ist es für Unternehmen in der Praxis, neben der Unterscheidung zwischen funktionalen und dysfunktionalen Konflikten, oftmals schwierig, den Ursprung und den Umfang eines Konflikts zu definieren sowie die Arbeitszeit konkret zu bestimmen, die tatsächlich für die Bewältigung von Konflikten aufgewandt wird. Das Fehlen von entsprechenden transparenten Daten ist dabei das größte Hindernis für die Durchführung eines wirksamen und effizienten Konfliktkostencontrollings.

30.000 Euro kostet ein „kleiner Konflikt“ mit drei bis fünf Beteiligten.

Ob ein systematisches Konfliktkosten-Controlling für ein Unternehmen ökonomisch sinnvoll ist, lässt sich anhand von Stichproben und Einzelfallberufung schnell evaluieren. Dabei zeigt sich, dass bereits kleinere Konflikte mit drei bis fünf Beteiligten oft über 30.000 Euro kosten. Exponentiell teurer wird es, wenn in Matrixorganisationen mehrere Teams und Länder betroffen sind.

 

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